Die Kuhglocke

Die Kuhglocke

Publicado el 18/06/2023
Die Kuhglocke

Was verbindet das Harzer Rote Höhenvieh mit Retinta Rindern in Andalusien?

Über viele Jahrhunderte hinweg hat sich das Rote Höhenvieh als die ideale Rasse der deutschen Mittelgebirge (Harz, Vogtland, Vogelsberg, Sauerland, Bayerischer Wald) etabliert. An diese Standorte sind die genügsamen, mittelgroßen, roten Rinder perfekt angepasst. Das Rote Höhenvieh war vor allem im Harz die Rasse der Kleinbauern und Bergleute. Die Kühe wurden sowohl angespannt als auch gemolken. In den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts änderten sich die Haltungsbedingungen fundamental. Gespanndienste waren nun nicht mehr gefragt und an die Milchleistung wurden immer höhere Anforderungen gestellt. Dem war die Rasse nicht gewachsen. Nach dem damaligen Verständnis wurde die Herdbuchzucht für das Rote Höhenvieh sowohl in Ost-als auch in Westdeutschland Mitte der siebziger Jahre offiziell eingestellt. Fast wäre das Schicksal der Rasse damit besiegelt gewesen. Aber nach der politischen Wende in Deutschland bekam die alte Rinderrasse dank der hartnäckigen Arbeit vieler Enthusiasten die Chance für einen Neubeginn. Der Bestand entwickelte sich in den letzten 30 Jahren von nur noch gut 40 Tieren auf nunmehr 2400 Kühe in 350 Zuchtbetrieben. Wie ist das gelungen? Zum Einen, es gab und gibt den nationalen und EU-„Fördermitteltöpfen“ eine finanzielle Unterstützung für vom Aussterben bedrohte Haustierrassen. Das ist gut und wichtig, aber es reicht noch nicht für ein echtes Come back. Nötig für einen nachhaltigen Erfolg ist es, die Vorzüge der alten Rasse mit den aktuellen gesellschaftlichen Anforderungen zu verknüpfen. Das Rote Höhenvieh ist perfekt dafür geeignet Naturschutzgebiete im Mittelgebirge durch Beweidung zu pflegen, viel besser als dies Menschen mit der Motorsense könnten. Darüber hinaus ist es gelungen die Gastronomie im Harz auf die ganz besondere Fleischqualität der Rasse aufmerksam zu machen.

Aber was hat dies nun mit den Retintas zu tun?

Ich habe mich beruflich über viele Jahrzehnte mit Rinderzucht in Deutschland beschäftigt und die Erhaltung des Roten Höhenvieh war und ist mir eine Herzensangelegenheit. In diesem Jahr war ich nun zu Gast auf der „Dehesa San Francisco“ in Andalusien. Mich hat das Projekt „Wiederbelebung der Transhumanz“ begeistert. Auch hier haben sich engagierte Menschen für die Erhaltung alter Rassen eingesetzt, dafür wie sinnvolle Traditionen in die Gegenwart transformiert werden können. Toll was auf der Dehesa geleistet wurde und wird. Ernestine Lüdeke und Hans-Gerd Neglein haben mich super herzlich empfangen und natürlich wollte ich nicht ohne Gastgeschenk kommen.

Ich habe mich für eine originale, alte Kuhglocke aus dem Harz entschieden. Ich finde die Glocke vom Roten Höhenvieh passt aus ideeller Sicht perfekt zu den Glocken der Retintas in Spanien.

Die Glocke hat eine Geschichte., hier ist sie:

Eigentlich ist es keine Glocke, sondern eine Schelle. Glocken werden gegossen und die Schelle ist aus gewalztem Blech angefertigt, das miteinander vernietet wurde. Aber der Name Glocke ist trotzdem fest verwurzelt. Zur Glocke gehört ein Bügel aus handgeschnitztem Eschenholz. Die Farbe des Bügels gab Auskunft zum Besitzer. Ein „Kuhglockenmacher“ musste sowohl musikalisch, als auch handwerklich versiert sein. Jetzt das Wichtigste. Die Glocken in einer Herde waren aufeinander abgestimmt. Zum einen durch ihre Größe, zum anderen durch die mit dem Hammer geschlagenen Dellen im Blech. Wenn die Herde, bestehend aus einem Bullen, Kühen, Jungrindern und Kälbern lief war im Idealfall eine Melodie zu hören. Das hinzubekommen war „hohe Schule“ und leider ist diese Kunst verloren gegangen. Mein „Glockengeschenk“ war Teil einer Glockengarnitur und wurde in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts in dem kleinen Harzdorf Bad Suderode angefertigt. Es ist die Glocke für ein Jungrind, ein sogenannter „Biller“. Während alte Kühe eher etwas gemächlich laufen und die Glocke dann im Bass „bum-bum“ macht, trippelt ein Jungrind hin und her, der Ton der Glocke ist höher, der Takt schneller… und alles zusammen, eine sich bewegende Herde, bildet eine Melodie, ist das nicht toll.

Ich wünsche allen, die sich zukunftsorientiert um Schutz und Bewahrung alter Rassen kümmern, maximale Erfolge.

Gernot Pohl



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